Oktoberfest in Yangon

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Regionale Feste in globaler Ausführung – Hans-Bernd Zöllner nimmt die Karnevalssaison zum Anlass, seine ethnographischen Eindrücke vom Yangoner Oktoberfest 2017 zu teilen.

Eine ethnographische Skizze

Dieser Blog-Beitrag wäre nicht entstanden, wenn ich etwa in München geboren wäre. Dann würde ich es wahrscheinlich für selbstverständlich halten, dass das Oktoberfest ein globales Ereignis ist und selbstverständlich auch nach Yangon gehört, weil München eben die Weltstadt mit Herz ist und somit eine Welthauptstadt. Schließlich reist jeder 7. Besucher des Großereignisses auf der Wiesn aus dem Ausland an.[1] Ein weiteres Siebtel kommt laut einer Statistik aus den anderen Bundesländern Deutschlands. Und das Fest zieht nicht nur Menschen aus aller Welt an, sondern ist auch ein innerdeutscher Exportartikel. In Hamburg etwa, der Stadt, in der ich den größten Teil meines Lebens verbracht habe, gibt es Feiern, die sich mit diesem Namen schmücken, in Hülle und Fülle. Einige von ihnen werden sogar auf der offiziellen Website der Freien und Hansestadt angepriesen. Man muss also nicht nach München fahren, um das „O‘zapft is“ live zu erleben.[2]

Ich hatte nie das Bedürfnis, das Original des großen Festes zu besuchen und schon gar nicht eine norddeutsche Kopie. Das passte einfach nicht zu dem Stamm, in dem ich aufgewachsen war. Nur rheinischer Karneval konnte noch schlimmer sein.

Trotz dieser klar ethnozentrischen Haltung habe ich im vergangenen Jahr das Oktoberfest in Yangon besucht. Warum? Darauf gibt es zwei Antworten – zum ersten: Bayerische Freunde haben mir eine Freikarte geschenkt, die 60.000 Kyat oder 45 US$ wert war, Bier und Essen inklusive. Die konnte ich nicht ablehnen. Zum zweiten: Ich war neugierig und habe mir gesagt, dies wäre eine Gelegenheit für einige besondere exotisch-ethnologische teilnehmende Beobachtungen.

Als ich gegen acht Uhr im Rose Garden Hotel in der Upper Pansodan Rd. eintraf, war die Party schon in vollem Gange. Der große Saal des Hotels war in eine Art großes Bierzelt verwandelt worden, auf der Bühne machte eine Band Musik, das Publikum klatschte im Takt dazu und zwischen den einzelnen Liedern fand das „Oans, zwoa, drei – g‘suffa“ ein vielstimmiges Echo im Zeltsaal. Kein Zweifel: das Fest wurde „angenommen“ und war somit ein voller Erfolg. Die Besucher, gleich ob aus asiatischen oder abendländischen Sphären stammend, standen mal auf den Bänken oder schunkelten im Takt der Musik, die einem keine andere Wahl ließ, als sich als ein Teil der fröhlichen Festgesellschaft zu fühlen. Etwa 1500 Menschen waren an diesem ersten der zwei Oktoberfesttage gekommen.Die Musik drang auch noch in die Nebenräume, wo das üppige Buffet mit bayerischen Spezialitäten aufgebaut war – angefertigt unter Anleitung deutscher Meisterköche, die in den Hotels der Stadt tätig sind. Die Band namens „Münchner Xindl“ war schon im Vorjahr hier gewesen und ihr Keyboarder hatte damals in einem Zeitungsinterview in der Süddeutschen Zeitung zu Protokoll gegeben, dass er in Yangon besonders gerne auftreten würde. Die Menschen seien hier „viel begeisterungsfähiger und noch nicht so übersättigt“ wie dahoam.[3] Meine Beobachtungen bestätigten den Eindruck. Mir schien, dass einige deutsche – norddeutsche? – Gäste angesichts der angesagten Stimmung ein wenig fremdelten, ihre asiatischen Counterparts, welcher Art auch immer, dagegen eher nicht. Zahlreiche weibliche Besucher aller Nationalitäten trugen Dirndl und es gab eine ansehnliche Anzahl von Lederhosenträgern, darunter auch ein echter Ostfriese.

Das Oktoberfest 2017 war nicht das erste seiner Art, es hat schon eine Geschichte, die mir einer der beiden Urheber erzählt hat. Es begann – wie sollte es anders sein – bei einigen Gläsern Bier im Frühjahr 2012. Der im Vorjahr ein Jahr zuvor in Yangon neu eingetroffene neue Kanzler der deutschen Botschaft deutsche Botschafter erzählte einem jungen Mit-Bayern, der gerade das Büro der Hanns-Seidel-Stiftung eröffnet hatte, dass er im Vorjahr aus Nostalgie nach Bangalore in Indien, seinem letzten Dienstort, geflogen sei, um dort das Oktoberfest mitzufeiern. Und schon war die Idee geboren, das Fest nach Yangon zu importieren. Die Idee wurde noch im selben Jahr realisiert, und zwar im Inya Lake Hotel, das dem birmanischen Staat 1958 bei einem Staatsbesuch von Nikita Chruschtschow geschenkt wurde und wo heute die politische Stiftung der CSU ihr Büro hat. Der große Saal wurde gemietet, ein Koch engagiert und es gab Musik vom Band. Disc- bzw. Bandjockey war ein Langzeit-Yangonianer, Reiseleiter und promovierter Spezialist für das Puppentheater Myanmars aus Wilhelmshaven. Einige Sponsoren wurden aufgetan, das Bier kam aus der Flasche, aber aus Deutschland, das Essen reichte nicht, aber die 250 Gäste waren trotzdem zufrieden, so dass im nächsten Jahr eine professionellere Ausgabe des Festes stattfand.

Dabei war es hilfreich, dass Prinz Luitpold von Bayern als Sponsor gewonnen werden konnte. Der ist ein Urenkel des letzten bayerischen Königs und damit auch ein Nachfahr des bayerischen Monarchen, zu dessen Zeit 1810 das erste Oktoberfest stattfand, sowie seines sagenumwobenen Sohns Ludwig II. Er ist außerdem auch Inhaber der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg, die das König Ludwig Weißbier produziert. Gleichzeitig übernahm der deutsche Botschafter die Schirmherrschaft für das Fest. Der Prinz ist nun jedes Jahr zu Gast in Yangon und eröffnet die Festtage zusammen mit dem Botschafter oder – wie 2017 – der aktuellen Botschafterin.

Weiter legten sich die deutschen Köche ins Zeug und organisierten sogar Freunde aus der Nachbarschaft, etwa einen Bäcker aus dem thailändischen Phuket. Im folgenden Jahr wurde das Fest dann schon zwei Tage lang gefeiert und ein Logo präsentiert, mit dem bis heute zur großen Party eingeladen wird.

Auch die vierte Ausgabe des Festes fand am Inya-See statt. Dann wurde der dortige Festsaal zu klein und im Jahr 2016 fand – unter der von der deutsch-myanmarischen Handelskammer formulierten Motto: Neuer Ort, altes Konzept – ein Umzug in das 2013 erbaute Rose Garden Hotel statt. Organisiert wird es mittlerweile nicht mehr nur von den beiden bayerischen „Erfindern“, sondern von einem ganzen Team. Die Vorbereitungen für das 2018er Ereignisse haben schon begonnen.

 

Das Yangoner Oktoberfest ist somit in vielerlei Hinsicht um Authentizität bemüht. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft sagte der Myanmar Times 2016 stolz, dass das Fest in Yangon das einzige auf der Welt sei, das dem Original nahekomme.[4] Es repräsentiert, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, sowohl die bayerische wie die allgemeindeutsche Kultur und stiftet somit Identität. Diese Identität beruht in Yangon wesentlich auf den Belegen für deutsche Tüchtigkeit, wie das Werbeplakat für die Feier im Jahr 2017 zeigt. Die Kellnerin im Dirndl vereint die Repräsentanten des deutschen Staates wie die Firmen, die in Myanmar Geschäfte machen bzw. es versuchen.

Dies ist eine Identität besonderer Art, die sich als „glokal“ bezeichnen lässt, in der also das Lokale das Globale umfasst, zumindest zeitweise. Der Begriff der Kultur lässt somit keine kategoriale Trennung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Anderen“ mehr zu, wie eine Kulturwissenschaftlerin schreibt.[5] Ein Indiz für diese Transkulturalität ist die Kleidung. Das bayerische Dirndl – ursprünglich das Unterkleid der Dienstmägde und daher passend für die Bierkrugstemmerinnen auf den Oktoberfesten – wird nun zu einer Identität stiftenden Tracht, die allerdings die Gegensätze der Lebenswelten und Machtverhältnisse zwischen den Trägerinnen nicht aufhebt.[6] Die einheimische Kellnerin im Kleid von der Stange und die deutsche Geschäftsfrau im Designer Dirndl trennen weiterhin Welten, aber die gemeinsame Tracht verbindet eben auch. Dasselbe gilt, wenn westliche Männer während ihres Aufenthaltes in Myanmar in Longyis schlüpfen. Die waren auf dem Fest gar nicht zu sehen. In beiden Fällen hängt es vom jeweiligen Individuum ab, wie weit die Identifikation mit denen reicht, die durch das Tragen derselben Tracht ihre Gemeinsamkeit bekunden.

Mein Fazit: Der Besuch hat sich für mich gelohnt, auch wenn ich das aus dem Freistaat geschenkte Bier nicht voll auskosten konnte. Weißbier – und sei es von einem königlichen Nachfahren persönlich gebraut – schmeckt mir einfach nicht so gut wie ein Hamburger Holsten oder Astra.

 

 

[1]      http://www.muenchen.de/veranstaltungen/oktoberfest/schmankerl/wiesn-wirtschaftsfaktor.html (aufgerufen am 30.1.2018).

[2]      http://www.hamburg.de/oktoberfest-hamburg/ (aufgerufen am 30.1.2018).

[3]      http://www.sueddeutsche.de/muenchen/oktoberfeste-fernvon-muenchen-erfolgreicher-export-1.3196994 (aufgerufen 31.1.2018).

[4]      https://www.mmtimes.com/lifestyle/22936-yangon-says-prost-to-oktoberfest.html (aufgerufen 1.2.2018).

[5]      Judith Schlehe, Transkulturalität in der Ethnologie: Neue Forschungsbeziehungen (http://www.uni-heidelberg.de/md/zaw/akh/akh_texte/04schlehe240605.pdf; aufgerufen am 1.2.2018).

[6]      Siehe dazu „Einzigartiger Einheitslook“. Interview mit der Volkskundlerin Sabine Eggers über ihre Magisterarbeit zum Thema „Phänomen Wiesntracht“ ( http://www.sueddeutsche.de/muenchen/magisterarbeit-zum-oktoberfest-einzigartiger-einheitslook-1.47888; aufgerufen am 1.2.2018).

 

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