Paneldiskussion zur aktuellen Lage in Myanmar – Bilanz nach zwei Jahren ziviler Regierung

An der Universität Passau fand am 15. 01. 2018 eine Paneldiskussion zur aktuellen Lage in Myanmar – Bilanz nach zwei Jahren ziviler Regierung – statt. 

Im Rahmen der schon seit mehreren Jahren ausgetragenen Südostasienwoche luden die verantwortlichen Hochschulgruppen von Amnesty International Arbeitskreis Südostasien und vom Projekt Südostasien drei Panellist*innen des Wissenschaftsforums Myanmar (WiMya) und des Myanmar-Instituts e.V. ein. Zentrales Thema der diesjährigen Südostasienwoche war die Menschenrechtslage in ausgewählten Ländern Südostasiens. So waren der Paneldiskussion am 15. 01. 2018 bereits ein Kurzfilmabend zur Todesstrafe sowie ein SOAx Talk am 10. 01. 2018 (Auftaktveranstaltung) über die gegenwärtige Menschenrechtslage in Thailand, Myanmar, Kambodscha sowie den Philippinen und Indonesien vorausgegangen.

Die Paneldiskussion wurde von Herrn Prof. Dr. Rüdiger Korff, Dr. Dagmar Hellmann-Rajanayagam und Herrn Rainer Einzenberger geführt. Moderiert wurde der Abend von Moritz Fink, einem Studierenden, der zuletzt für eine politische Stiftung in Myanmar gearbeitet hat.

Ziel des Abends war es, eine Bilanz nach zwei Jahren ziviler Regierung zu ziehen. Was hat sich unter der NLD[i]-geführten Regierung unter Präsident Htin Kyaw und der Staatsrätin Aung San Suu Kyi seit der letzten Wahl 2015 verändert? Vor diesem Hintergrund stellte der Moderator einige Leitfragen.

Um den Übergang des lange vom Militär autoritär regierten Landes hin zu einer demokratisch gewählten Regierung zu verstehen, schuf Prof. Dr. Korff mit wichtigen Eckdaten der Geschichte einen ersten Überblick. Fokus war dabei die Periode nach 2010, als Thein Sein als nominal ziviler Präsident ins Amt gewählt wurde. Die Regierung, die aus vielen Ex-Militärs bestand, stellte sich – entgegen lokaler und internationaler Erwartung – als äußerst reformfreudig heraus. So wurde u.a. das Myitsone Dammprojekt im Kachin-Staat verworfen und 2012 Nachwahlen zugelassen, an der auch die NLD teilnehmen konnte. Der eingeleitet demokratische Prozess gipfelte in freien und fairen Wahlen im November 2015, bei der die NLD eine Mehrheit errang und fortan führte Htin Kyaw als Präsident die Regierung an. Seit 2010 erlebe das Land einen rapiden Transformationsprozess, so Herr Prof. Dr. Korff.

Herr Einzenberger warf ein, dass die Öffnung unter Thein Sein rein ökonomischen Interessen folgte und dass es durchaus zu neuen Gesetzen (beispielweise dem Investitionsgesetz oder dem Telekommunikationsgesetz) kam. Letzteres wird häufiger verwendet um unliebsame Journalisten wegzusperren.

Dr. Dagmar Hellmann-Rajanayagam erklärte die Entstehung der ethnischen bewaffneten Organisationen, die sich bis heute militärische Auseinandersetzungen mit dem burmesischen Militär liefern. Sie betonte vor allem die Konflikte in Myanmars Grenzregionen, allen voran im Kachin-Staat, die medial nicht etwa so dominierend sind wie die Situation mit den muslimischen Rohingya im Nordwesten des Rakhine Staates. Herr Einzenberger veranschaulichte die gegenwärtige Situation im Chin-Staat, eines seiner zentralen Forschungsgebiete. Es bleibt zu konstatieren, dass sich die Situation für ethnische Minderheiten unter der NLD-geführten nicht signifikant verbessert hat. Dennoch gibt es Anstrengungen wie die Panglong Peace Conference und das Nationwide Ceasefire Agreement, die um diplomatische Lösungen der andauernden Auseinandersetzungen ringen.

Auch die Bedeutung des Tatmadaw[ii] wurde von den drei Diskutierenden beleuchtet. So stehen dem Militär 25% der Sitze im Ober-und Unterhaus des Hluttaws[iii] zu. Weiterhin kontrolliert das Militär die Ministerien für Verteidigung, Inneres und Grenzangelegenheiten. Somit stellt es einen möglichen „Veto-Spieler“ im Prozess der Bemühungen der NLD um neue Gesetze dar.

Die Panellist*innen gaben auch Einblick in ihre persönlichen Erlebnisse in Myanmar. So erzählten sie von schwierigen Einreisebedingungen in Grenzregionen mancher Staaten in Myanmar. Prof. Dr. Korff erinnerte, dass man unter Umständen auch diejenigen Personen in Gefahr bringt, die man bei einer Forschungsreise interviewt.

 

 

In einer abschließenden Fragerunde stellten sich die Panellist*innen den Fragen der Zuhörer*innen in der Lounge der Zentralbibliothek. Auch anwesend war Prof. Dr. Bernhard Dahm, der sich rege an der Diskussionsrunde aus dem Publikum beteiligte. Ausdrücklich lobte er die Arbeit der Hochschulgruppen, die aktiv über die Kulturen Südostasiens informieren und auch kritische Themen ansprechen.

Die Teilnehmer*innen im Publikum signalisierten mit Handzeichen mehrheitlich, dass ihr Verständnis über Myanmar deutlich gesteigert wurde und sie auch für die Konflikte sensibilisiert wurden. Auch wurde ein kollektives Bedauern der Zuhörer*innen über die schrittweise Rücknahme des Lehrstuhls für Südostasienstudien geäußert. Wie die Südostasienwoche eindrucksvoll gezeigt hat, ist das Interesse für Veranstaltungen zu den Hintergründen in Südostasien sehr groß. Weiterhin sind die Kenntnisse des Lehrstuhls um Herrn Prof. Korff sehr angesehen und sorgen so für hohe Besucherzahlen und eine über die Universität hinausgehende Reichweite. So fanden sich zu den Veranstaltungen auch viel externe Interessierte ein. Der Lehrstuhl für Südostasienstudien und Aktivitäten zum Kulturraum Südostasien sind ein Aushängeschild der Universität.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Korff, Dr. Dagmar Hellman-Rajanayagam und Herrn Einzenberger für den wertvollen Einblick in die komplexe politische, sozioökonomische und gesellschaftliche Situation Myanmars und für ihre Expertise zu zahlreichen Themenpunkten, die an diesem Abend adressiert wurden. Wir hoffen sie bald wieder für eine unserer Veranstaltungen zu gewinnen.

 

PSOA und Amnesty Int. SOA AK.

 

Referenten:

Siehe Wissenschaftsforum Myanmar und Myanmar-Institut e.V.

 

 


[i] National League for Democracy

[ii] Militär Myanmars

[iii] Parlament Myanmars

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